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Dienstag, 1. Februar
 
 

Um ca. 10 Uhr drangen rund zehn AntirassistInnen in die ÖVP-Parteizentrale in der Wiener Lichtenfelsgasse ein und dort bis aufs Dach vor, besetzten ein Dachbüro und versahen die Balustrade mit Transparenten. Gleichzeitig begannen rund 30 weitere AktivistInnen vor dem Eingang der Parteizentrale eine Kundgebung. Die Alarmabteilung der Sicherheitswache war zwar rasch zur Stelle, zog sich aber bald wieder weitgehend zurück. Bilder von einem Polizeieinsatz gegen AntifaschistInnen in ihren Räumlichkeiten wollte die in ihrem internationalen Image etwas angeschlagene Partei offenbar doch nicht um die Welt gehen wissen.
 

200 Leute demonstrierten Dienstag Abend während der gemeinsamen Pressekonferenz von Haider und Schüssel vor dem Parlament in Wien. Anschließend zogen auch sie zur ÖVP-Zentrale. Noch bis 1 Uhr früh blockierten die DemonstrantInnen Straßenkreuzungen abwechselnd anm Ring und auf der so genannten 2er-Linie.
 
 

Mittwoch, 2. Februar
 
 

Die Besetzung der ÖVP-Zentrale wurde um ca. 17 Uhr beendet, während sich die TeilnehmerInnen zu der von der Plattform "Demokratische Offensive" (SOS Mitmensch, Republikanischer Club, ...)  organisierten Demonstration sammelten. Die Demo zog zum Ballhausplatz (Bundeskanzleramt und Präsidentschaftskanzlei).

Nach der offiziellen Abschluss-Kundgebung, an der zwischen 20.000 und 30.000 Personen teilnahmen, zogen noch mehrere tausend Leute zum Parlament und dann weiter über die Zentralen von ÖVP in der Lichtenfelsgasse und FPÖ in der Kärntnerstraße kreuz und quer durch die Innenstadt. Vor dem Parlament wurde das Denkmal der Pallas Athene von unzähligen Leuten besetzt und mit Transparenten und Fahnen geschmückt. Ein Vorgang der zum Fixpunkt für alle Demonstrationen auch der folgenden Tage werden sollte. Die Polizei beschränkte sich auf den Versuch, den Autoverkehr umzuleiten, was ihr aber aufgrund der spontanen Richtungsänderungen nicht wirklich gelang. Immer wieder gerieten unzählige Autos in die zumeist gegen die Fahrtrichtung demonstrierenden Leute. Viele AutofahrerInnen drückten durch rhythmisches Hupen ihre Unterstützung der Demonstration aus. Menschen winkten aus ihren Wohnungen, schwenkten überwiegend rote Kleidungsstücke aus den Fenstern, strömten aus Lokalen, klatschten und schlossen sich oft auch der Demonstration an. Gegen 1.00 Uhr früh löste sich die Demonstration auf. Für den nächsten Tag wurde aufgerufen, sich um 17 Uhr vor der ÖVP-Zentrale zum "Alarmtrommeln gegen Rassismus" zu sammeln und Lärminstrumente mitzubringen-
 
 

Donnerstag, 3. Februar
 
 

Rund 5.000 Leute sammelten sich um 17 Uhr vor der ÖVP-Zentrale und erzeugten ohrenbetäubenden Lärm. Unzählige Eier und Farbbeutel flogen gegen die Parteizentrale. Anschließend wurde neuerlich bis etwa Mitternacht lärmend durch die Stadt gezogen. Fixpunkte waren die Zentralen von ÖVP und FPÖ, der Ballhausplatz und das Parlament. Es wurde aber auch durch angrenzende Wohnbezirke und über den am Rathausplatz errichteten Eislaufplatz gezogen. Zahlreiche Menschen in Autos, Wohnungen und Lokalen drückten neuerlich ihre Unterstützung aus. Die Polizei verhielt sich immer noch zurückhaltend und versuchte, den Verkehr zu regeln.

Höhepunkt des Abends war, als um ca. 22 Uhr Teile der Demonstration, an die 500 Leute, ins Burgtheater demonstrierten und - ohne Probleme! - bis auf die Bühne vordrangen. Dort wurde lautstark der Protest gegen die rechtsextreme Regierung vorgetragen und das Publikum aufgerufen, sich an den Protesten zu beteiligen. Einige wenige TheaterbesucherInnen verließen das Theater. Größtteils gab es aber Applaus, und mitunter gar standing ovations (!!!)

Wenig später wurde in das Nobelhotel Imperial eingedrungen und auch dort protestiert.

Um 24.00 Uhr gab es bei der FPÖ-Zentrale in der Kärntnerstraße die erste vorübergehende Festnahme.
 
 

Freitag, 4. Februar
 
 

Für Freitag 12.00 war die Angelobung der neuen Regierung angesetzt worden. Bereits um 10.30 begann beim Ballhausplatz eine bereits länger geplante, von FrauenLesben-Organisationen organisierte Kundgebung gegen die massiv frauenfeindlichen Ankündigungen der designierten Regierung. Um 12 Uhr waren bereits rund 10.000 Menschen aller Geschlechter anwesend, um gegen die Angelobung zu protestieren. Der Ballhausplatz selbst war abgeriegelt worden. Dennoch zogen die neuen Regierungsmitglieder vor, durch unterirdische Geheimgänge zur Angelobung zu gehen. Es war extrem laut. Gegen die Präsidentschaftskanzlei flogen pausenlos Knallkörper, Eier, Farbbeutel, faules Obst und der eine oder andere feste Gegenstand.

Nach einigen Stunden setzten sich an die 5.000 Menschen in Bewegung und demonstrierten die Ringstraße entlang. Beim nun in FPÖ-Hand befindlichen Sozialministerium angelangt, wurde versucht, in das Ministerium zu stürmen. Eine vom Portier eilig zugeschlagene Stahlgittertür hielt den Druck der Massen nicht stand, und so gelang es tatsächlich einigen hundert Menschen in das Gebäude einzudringen und mehrere Büros zu besetzen. Einige MinisterialbeamtInnen begrüßten die BesetzerInnen mit freudigem Beifall und wiesen den Weg in jenes Zimmer, von welchem der Balkon betreten - und mit Fahnen und Transparenten geschmückt - werden konnte.

Mehrere Hundertschaften der Polizei in Kampfausrüstung waren binnen weniger Minuten am Ort des Geschehens und drängten und prügelten die Leute, die noch ins Ministerium strömen wollten, zurück. Ein Teil der DemonstrantInnen vor dem Ministerium - vorwiegend die Blöcke rund um sozialdemokratische Organisationen und von SP-nahen GewerkschafterInnen - distanzierte sich und zog weiter.

Einige der BesetzerInnen zog es angesichts der großen Polizeipräsenz vor, das Gebäude freiwillig zu verlassen und ernteten dafür beim Hinausgehen teilweise Polizeiprügel. Die BesetzerInnen des Balkonzimmers wollten länger bleiben, entschlossen sich aber, nachdem sie das Verlassen des Gebäudes durch die anderen mitbekommen haben, auch zu gehen. Mittlerweile waren die Ausgänge aber von der Polizei dichtgemacht worden. Auf der Straße wurden unterdessen die Polizeisperren mit allem, was so in der Gegend herumlag, beworfen. Dem einen oder anderen Polizeifahrzeug in der Gegend ging die Luft aus, zumindest aus den Reifen. Andere DemonstrantInnen versuchten mit den Behörden zu verhandeln und vereinbarten, dass die BesetzerInnen das Ministerium verlassen, wenn die Polizei dies friedlich und ohne Personalienaufnahme ermöglichen sollte. Dieses Ergebnis wurde sowohl von den BesetzerInnen als auch der Polizei akzeptiert. Die BesetzerInnen des Balkonzimmers verließen unbeschadet das Gebäude.

Dennoch wurden drei Frauen aus einem anderen Zimmer, von den meisten anderen erst unbemerkt, von der Polizei festgehalten. Nach etwa einer Stunde gelang es aber, auch deren Freilassung durchzusetzen.

Anschließend zog die Demo weiter und machte sich auf die Suche nach der anderen. Am Ballhausplatz kamen die beiden Fraktionen schließlich wieder zusammen. Von dort wurde dann vereint weitergezogen.

Einige wenige DemonstrantInnen blieben allerdings am Ballhausplatz zurück, wo es, nachdem einige ein Lagerfeuer angemacht haben, zu einem Prügeleinsatz der Polizei gegen die relativ kleine Gruppe gekommen ist.

Der Hauptteil der Demonstration zog in bereits gewohnter Weise durch die Stadt, zu den Parteizentralen, durch Wohngegenden etc.

Beim Schubgefängnis in der Rossauer Lände kam es zu einem ziemlich unerwarteten und möglicherweise auch nicht wirklich geplanten Polizeieinsatz - die Polizei hatte später verlautbart, dass einige Beamten auf eigene Faust agiert haben sollen. Mitten im von der Demo verursachten Verkehrsstau, also quer durch die stauenden Autos machte die Polizei plötzlich knapp vor der ersten Demoreihe einen Keil und schlug mit Schlagstöcken auf die DemonstrantInnen ein. Massive Gegenwehr mit Knallkörpern und Steinen war die Folge. Die Polizei wich nach einigen Minuten zurück, beschränkte sich darauf, die Eingänge des Schubgefängnisses zu sichern und ließ die Demo dann doch passieren.

Unterdessen kündigten der neue Bundeskanzler Schüssel und die Polizei öffentlich an, fortan massiv gegen die DemonstrantInnen vorzugehen.

Vermutlich wurde bereits  für ca. 22.00 eine gewaltsame Auflösung der Demonstration vorbereitet. Darauf hin deutet, dass die U-Bahn-Station Karlsplatz - ohne sonst ersichtlichen Grund - für alle drei dort fahrenden U-Bahn-Linien gesperrt wurde. Es konnte aber doch noch bis nahe zur FPÖ-Zentrale gegangen werden. Ein Weitergehen von dort wurde von der Polizei durch Sperre jener Seitengasse, durch welche die Demonstration bisher immer fortgezogen ist, verhindert. Mit allen Mitteln versuchten die Behörden offensichtlich, die Situation zu eskalieren - was auch gelang: Immer mehr Gegenstände und Knallkörper fielen auf die mehrreihige Polizeisperre.

Mehrmals wurde - vorerst nur begrenzt - in die Demonstration reingeprügelt und die Leute zurückgedrängt. Wasserwerfer wurden in Stellung gebracht und schließlich nach 22.30 Uhr auch eingesetzt. Es war dies der erste Einsatz von Wasserwerfern in Wien überhaupt (früher wurden mal Löschfahrzeuge von der Feuerwehr ausgeliehen, das ist aber auch schon zehn Jahre her). Die neue Regierung zeigte - gerade mal zehn Stunden nach ihrer Angelobung - ihr ohnehin nicht wirklich überraschendes Gesicht. Dass die Wasserwerfer nur über die Köpfe der Menschen zielten, um sie gerade mal nass zu machen, wie über bürgerliche Medien verlautet wurde, ist übrigens unrichtig: das Wasser kam durchaus auch oft genug in Bauchhöhe.

Gegen 23 Uhr begann der bis dahin massivste Prügeleinsatz. Die Leute wurden in alle Richtungen auseinander getrieben. Wer erwischt wurde, wurde zu Boden geworfen, und bereits am Boden liegend, mit Gummiknüppel-Schlägen und Fußtritten traktiert. 20-50 DemonstrantInnen wurden verletzt. Die Zahl der Festnahmen ist noch ungewiss.
 
 

In den bürgerlichen österreichischen Medien wurden die Ereignisse als gewalttätige Ausschreitungen der DemonstrantInnen dargestellt und der Polizeieinsatz gerechtfertigt. Ein Sprecher der "Demokratischen Offensive" distanzierte sich von der Demonstration und erklärte, dass die Demokratische Offenisive die Demonstration am nächsten Tag absage. Da die Demonstrationen dieser Tage aber nicht von der Demokratischen Initiative organisiert wurden, war dies relativ bedeutungslos.
 
 

Samstag, 5. Februar
 
 

Allen Einschüchterungsversuchen der Polizei und Distanzierungen von der Demokratischen Offensive zum Trotz nahmen an einer neuerlichen Demonstration zu Spitzenzeiten bis zu 10.000 Menschen teil. Um Polizeiprovokationen zu vermeiden, wurde an den gefährlichen Punkten, vor den Parteizentralen, rasch weitergezogen. Längere Zwischenkundgebungen gab es lediglich beim Ballhausplatz und vor dem Parlament. Mehrmals wurde die Demonstration über den Gürtel, eine der wichtigsten Straßenverbindungen Wiens, geführt. Beim Westbahnhof wurde ein kleiner Umweg durch Bahnhofshallen eingelegt. Gegen 23 Uhr, als nur mehr rund 3.000 Leute dabei waren, versuchte die Polizei am Michaelerplatz - ca 15 Demominuten vor der FPÖ-Zentrale - eine Auseinandersetzung zu provozieren. Zwei DemonstrantInnen wurden überraschend festgenommen, Alarmabteilungseinheiten liefen quer durch die Demo und schlugen sich mit ihren Schilden den Weg frei. Dafür, dass diese Provokation geplant war, spricht, dass Sekunden später ein Wasserwerfer bereit stand. Es gelang jedoch, die Demo weiter zu bringen, und der geplanten Provokation auszuweichen. Anschließend wurde zum Polizeikommissariat Innere Stadt gegangen, und lautstark die Freilassung der Gefangenen gefordert. Dort schien es kurzfristig, dass die Polizei einen Kessel vorbereite. Die Demonstration konnte aber weiterziehen.

Ihren Abschluss fand die Demonstration wieder vor der FPÖ-Zentrale. Eine Sitzblockade vor der Polizeisperre sollte Polizeiprovokationen die Legitimation rauben. Tatsächlich zogen die Behörden nach und nach ihre Kräfte etwas zurück. Gegen 3 Uhr früh lösten sich die letzten Reste der Demonstration auf.
 
 

Sonntag, 6. Februar
 
 

Um 20 Uhr sammelten sich mehr als zehntausend Leute auf dem Ballhausplatz um unter anderem zum Haas-Haus zu ziehen, von dessen Dachrestaurant aus um 21.55 die wöchentliche ORF-Diskussionssendung "Zur Sache" übertragen werden sollte. Als DiskussionsteilnehmerInnen waren unter anderem der stellvertetende FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler und ÖVP-Klubobmann Andreas Khol angekündigt. Nachdem als Reaktion auf die Demoankündigung die Diskussion in das besser geschützte und am Stadtrand liegende ORF-Zentrum verlegt wurde, änderten auch die DemonstrantInnen ihre Pläne und wanderten kurzerhand ebenfalls zum ORF-Zentrum, wo sie nach drei Stunden knapp vor Ende von "Zur Sache" eintrafen. Das ORF-Zentrum war von mehrreihigen Polizeisperren bewacht. Auch die langsam vertraut werdenden Wasserwerfer standen bereit. Nach lautstarkem Protest gegen die verzerrende und meist unrichtige ORF-Berichterstattung über die Proteste (die unter anderem als eine Art Gewaltexzess von ein paar hundert "Berufsdemonstranten aus dem Ausland" dargestellt wurden) wurde um Mitternacht wieder Richtung Stadt gezogen. Dabei zerriss der Demozug allerdings in drei Teile. Die beiden ersten demonstrierten, langsam immer kleiner werdend, auf verschiedenen Wegen bis in den frühen Morgen weiter. Der dritte löste sich bereits nach wenigen Minuten auf.
 
 

Montag, 7. Februar
 
 

Nachdem es zwar einen gemeinsamen Treffpunkt, aber zwei verschiedene Treff-Zeitpunkte gab, demonstrierten ab 17 Uhr zuerst nur etwa 1.500 Menschen vom Ballhausplatz aus durch die Stadt. Um 19 Uhr wuchs der Demozug - wieder am Ballhausplatz - auf mehr als 5.000 Leute an. Gemeinsam wurde in den ArbeiterInnenbezirk Favoriten - einer FPÖ-"Hochburg" -, zum Reumannplatz und dann, vorbei am ORF-Funkhaus in der Argentinierstraße - Sitz der meisten ORF-Radioprogramme -, wieder zurück in die Innenstadt gezogen. Früh wie noch nie löste sich die Demonstration nach 23 Uhr vor dem Parlament auf.

Sowohl von Seiten der Demonstration als auch von Seiten der Polizei wurde eine Deeskalationsstrategie verfolgt. Die Demonstration führte nicht an den potentiellen Konfliktpunkten, den Parteizentralen von FPÖ und ÖVP, vorbei. Die Polizei präsentierte sich deutlich weniger martialisch wie in den Tagen zuvor, zumeist ohne Helme und Schilde, und verzichtete auf Provokationen. Wasserwerfer waren nicht zu sehen. Das ORF-Funkhaus glich trotzdem einer Festung.
 
 

Dienstag, 8. Februar
 
 

Um 12 Uhr begann im Parlament die erste Nationalratssitzung unter der neuen Regierung. Um 15 Uhr wurde ein von den Grünen gestellter Misstrauensantrag gegen Schüssel behandelt. Die Gegend rund ums Parlament war daher großräumig abgeriegelt, zahlreiche Straßen gesperrt ("Bannmeile"). Als Folge immer mehr Verwirrung stiftender Terminankündigungen und -verlautbarungen durch selbsternannte DemoorganisatorInnen (siehe Artikel "Disziplinierungsversuche selbsternannter Demoleiter") gab es zwar zwei allgemein bekannte Abendtreffpunkte, die Mobilisierung zur Nationalratssitzung war aber gescheitert. Bis 15 Uhr waren erst rund 200 DemonstrantInnen zum Parlament gekommen.

Zu den von den selbsternannten DemoorganisatorInnen am Vortag lautstark verkündeten Treffzeitpunkten, wahlweise 17 und 19 Uhr, kamen dann endlich doch wieder deutlich mehr Menschen. Letztendlich zogen zwischen 5.000 und 10.000 Menschen durch die Stadt, erst durch den angrenzenden 7., dann in den 2. Bezirk. Schluss war einmal mehr vor dem Parlament, wegen strömenden Regens diesmal bereits um 21 Uhr. Die Bannmeile war zu diesem Zeitpunkt bereits aufgehoben worden.
 

Nachtrag: Die in der Verfassung (Art. 32 BVG) vorgeschriebene öffentliche Zugänglichkeit von Nationalratssitzungen wurde unterbunden. Die meisten ZuschauerInnen wurden bei den Polizeisperren entlang der Bannmeile ohne Begründung abgewiesen. Welche bis zum Parlamentseingang vorgelassen wurden, erfuhren dort, dass diesmal "Besucherkarten" notwendig seien. Von diesen war bei vorherigen Anfragen und Anmeldungen von Seiten des Parlaments nie die Rede gewesen. Mittlerweile waren bereits alle vergeben. Die BesucherInnengallerie war mit PolizeischülerInnen und Bundesheerpersonal aufgefüllt worden.
Dennoch gelang es einigen DemonstrantInnen auf die Gallerie zu kommen. Mit Buchstaben auf T-Shirts bildeten sie den Schriftzug "GEGEN SOZIALABBAU" (oder so ähnlich). Daraufhin wurden sie entfernt.

 

Mittwoch, 9. Februar
 
 

Eine "Botschaft besorgter Bürger und Bürgerinnen" wurde um 8.15 in einem eigens dafür aufgebauten Zelt auf dem Ballhausplatz eröffnet. Sie soll "all jenen zur Verfügung stehen, die Probleme durch eine blauschwarze Regierung haben" und soll bestehen bleiben, so lange die blauschwarze Regierung im Amt ist. Rund um die Uhr werden antifaschistische AktivistInnen anwesend sein. Gleichzeitig wurde eine Internet-Botschaft eingerichtet. Diese ist unter der Adresse http://www.BotschaftbesorgterBuergerInnen.cjb.net erreichbar.

Die Präsentation der Regierungserklärung vor dem Nationalrat ging - soweit wir bis jetzt wissen - ohne außerparlamentarische Proteste über die Bühne. Die Bannmeile rund ums Parlament war den ganzen Tag über abgeriegelt und wurde durch ein Großaufgebot an Polizei sowie heute sogar Gendarmerie bewacht.

Dennoch sind uns keine Kundgebungen bis 17 Uhr bekannt. Erst um 17 Uhr sammelten sich an die 4.000 Menschen zur allabendlichen Demonstration - von Polizei und Medien bereits als "Wandertag" verniedlicht - am Ballhausplatz. Sie führte durch die Bezirke 7, 15 und 16 und löste sich gegen 23 Uhr zwischen Kunst- und Naturhistorischem Museum nahe der Bannmeile ums Parlament auf.
 
 

Donnerstag, 10. Februar
 
 

Zwischen 1.000 und 2.000 Menschen demonstrierten ab 19 Uhr vom Ballhausplatz diesmal nach Ottakring (Brunnenmarkt) und wieder zurück. Schluss war um ca. 22 Uhr vor dem Parlament. Erstmals (oder zumindest erstmals sichtbar) koordinierte die selbsternannte Demoleitung die Route vorher mit der Polizei. Effekt: belebte Straßen und Kreuzungen wurden ebenso gemieden wie die ÖVP-Zentrale, an der eine Seitengasse vorher vorbeigezogen wurde.
 
 

Freitag, 11. Februar
 
 

Das Gebäude der ÖVP-dominierten und die neue Regierung in höchsten Tönen lobenden Industriellenvereinigung wurde am Vormittag von einigen AntifaschistInnen für kurze Zeit besetzt. Genauere Informationen folgen, sobald wir mehr wissen. Eine inhaltliche Erklärung der BesetzerInnen findet ihr hier:  http://www.servus.at/kanal/gegenschwarzblau/text/oeprotinfo/opi18.htm.

Ab 19 Uhr demonstrierten etwa 1.000 Leute gegen die Rechts-Rechtsextrem-Regierung - heute in den 20. Bezirk und zurück. Nach 21 Uhr löste sich die Demonstration vor dem Parlament auf.
 
 

Samstag, 12. Februar
 
 

Zwischen 10.000 und 20.000 Menschen demonstrierten bei einer groß angekündigten und erstmals seit Tagen auch wieder angemeldeten Demonstration vom Westbahnhof über das Parlament zum 12.-Februar-Platz beim Karl-Marx-Hof in Wien-Heiligenstadt.
(Am 12. Februar 1934 kulminierte die Unterdrückung der ArbeiterInnenbewegung durch das von der Christlichsozialen Partei - die Vorgängerin der heutigen ÖVP - errichtete austrofaschistische Regime nach einem bewaffneten Aufstand in einen Krieg gegen ArbeiterInnen. Dabei wurden zahlreiche, hauptsächlich von ArbeiterInnen bewohnte, Gemeindebauten beschossen, darunter der Karl-Marx-Hof. Die Kämpfe forderten hunderte Tote.)
Während der Demo wurde vor dem Parlament in einer theatralischen Aktion einE mutmaßlicheR MigrantIn der Sicherheitspolitik "geopfert". Die anwesenden echten PolizistInnen bekamen von dem dabei verspritzten weniger echten Blut einiges ab. Für MusikfreundInnen gabs einen Riesen-LKW mit DJs, für TraditionalistInnen einen kleineren LKW mit Ansprachen und der Internationale, für "AnhängerInnen" der selbsternannten Demoleitung unzählige OrdnerInnenschleifen, damit alle ihrE eigeneR OrdnerIn sein konnten, etc. etc.
(korrigiert und ergänzt:) Die Hip-Hop-Szene lud um 19 Uhr vors Parlament zum von der Sozialistischen Jugend organisierten "HipHop gegen Schwarzblau". Um zirka 23 Uhr wurde die Musik von der Polizei wegen angeblicher Lärmbelästigung unter Androhung von Festnahmen abgedreht.
Einige Leute entfachten auf der Ringstraße ein Lagerfeuer. Nach einiger Zeit des Beobachtens schritt die Polizei ein, entfernte die Leute handgreiflich und löschte das Feuer. Als später neuerlich versucht wurde, ein Lagerfeuer anzuzünden, nahm die Polizei von einigen Leuten die Personalien auf.
 
 

Sonntag, 13. Februar
 
 

An die 500 Leute demonstrierten bei Regen erst in den 3. Bezirk und dann zum Stephansplatz, um wie schon am letzten Sonntag zu versuchen, bei der üblicherweise im dortigen "Haas-Haus" stattfindenden Fernsehdiskussion "Zur Sache" für entsprechende Lärmkulisse zu sorgen. Der ORF traute sich aber auch diesmal nicht aus seinem Studio heraus, und führte die Diskussion erneut im ORF-Zentrum am Küniglberg durch. Die Demo löste sich daher um ca. 22 Uhr auf.
Nachdem die selbsternannten DemoorganisatorInnen bereits zu Mittag bei einem ihrer Treffen massiv kritisiert worden waren, verzichteten sie diesmal darauf, FührerInnen zu spielen und die Leute mittels OrdnerInnen zu disziplinieren. Demenstprechend offensiver verlief endlich wieder einmal die Routenwahl, besonders gegen Ende der Demo (Ringstraße gegen die Einbahn etc.).
 
 

Montag, 14. Februar
 
 

Eine Fahrraddemo sorgte am Abend für allgemeines Chaos auf den wichtigsten Straßen Wiens. Höhepunkt war die Fahrt über die Südosttangente, einer der stärkst frequentiertesten Autobahnen Österreichs, von Erdberg bis zur Abfahrt Landstraße. Zuvor wurde ausgehend vom Ballhausplatz kreuz und quer durch die Innenstadt, zum Praterstern, und danach über Gürtel, Favoritenstraße und Ring wieder zurück in die Innenstadt gefahren. Die Polizei beschränkte sich zwar darauf, den Autoverkehr umzuleiten oder anzuhalten, war dabei wegen zahlreicher überraschender Richtungsänderungen und Gegen-die-Einbahn-Fahrten (auf der Autobahn wurde sicherheitshalber doch die "richtige" Richtungsfahrbahn gewählt)  äußerst gefordert. Während zwischen 17 und 19 Uhr nur rund 30 RadfahrerInnen teilgenommen hatten, waren es ab dem zweiten angekündigten Treffzeitpunkt 19 Uhr schon an die 100 RadlerInnen und eine Roller-Skaterin.
Die gleichzeitig stattgefundene tägliche Latschdemo führte zu Fuß zum Praterstern und zurück. Dabei nahmen an die 500 Menschen teil.
Kurz vor 21 Uhr trafen sich beide Demonstrationen zufällig in der Innenstadt und bewegten sich dann gemeinsam zum Parlament. Das kollektive Erklettern und Mit-Transparenten-und-Fahnen-Schmücken der Statue der Pallas Athene wurde erstmals durch eine dichte Polizeisperre mit Tretgittern verhindert.
Kurz nach 21 Uhr lösten sich beide Demonstrationen auf.
 
 

Dienstag, 15. Februar
 
 

Die allabendliche Demonstration führte diesmal in den 9. Bezirk, und dabei auch an der mexikanischen Botschaft vorbei, wo gegen die Niederschlagung des Studierendenstreiks protestiert wurde. Nur ungefähr 300 Menschen nahmen bei nasskaltem Wetter daran teil.
Anschließend nahmen einige DemonstrantInnen das Angebot des Burgtheaterdirektors an die interessierte Öffentlichkeit wahr, nach der Vorstellung im Burgtheater über die politisch-kulturelle Situation in Österreich zu diskutieren. Rund dreißig Leute blieben über das offizielle Ende der Diskussion hinaus im Theater, um  noch über Perspektiven des Widerstands zu sprechen. Nach 1.00 Uhr früh löste sich auch diese Gesprächsrunde auf.
 
 

Mittwoch, 16. Februar
 
 

Nach den Latsch- und Fahrrad-Demos der vergangenen Tage wurde das Aktionsspektrum nun durch U-Bahn-Demos erweitert. Mit den üblichen Fahnen, Transparenten und Lärminstrumenten bestiegen die rund 500 TeilnehmerInnen der allabendlichen Demonstration in der Haltestelle Volkstheater einen Zug der Linie U3 und fuhren damit bis zur Haltestelle Johnstraße. Zu Fuß wurde dann durch die Bezirke 15, 14 und 13 bis zur Haltestelle Hietzing demonstriert. Von dort ging es mit U4 und U6 nach Alt Erlaa zu einer der größten Satellitenstädte Wiens. Nach einigen lauten Runden durch die dortigen Gemeindebauten (wirkt übrigens ur-nett, wenn so riesige Wohnsilos nächtens zu funkeln beginnen, weil bis in den x-zehnten Stock hinauf Leute solihalber das Licht ein- und ausschalten oder mit Taschenlampen und Sternspritzern winken ...) und einem längeren Marsch durch eher unbewohntes Industriegebiet löste sich die Demonstration nach 22 Uhr in einem Zug der Linie U6 nach und nach auf. Einige der DemonstrantInnen fuhren anschließend noch zum Burgtheater, um an der dort derzeit täglich stattfindenden Diskussion teilzunehmen.
 
 

Donnerstag, 17. Februar
 
 

Rund 300 Leute demonstrierten wieder mit der U-Bahn nach und dann zu Fuß durch Kaisermühlen (22. Bezirk). Von dort ging die Demo per U-Bahn zur Lerchenfelderstraße und schließlich zu Fuß zum Theater in der Josefstadt. Ein Großaufgebot der Polizei wachte darüber, dass die gerade stattfindende Prämiereaufführung im Theater nicht durch lustiges Publikum aufgelockert wurde. Die Demo zog zwei Runden um den Häuserblock, wobei ihr vom hinteren Bühnenausgang von SchauspielerInnen und ArbeiterInnen des Theaters und vom in beiden Richtungen abgeriegelten Haupteingang auch von einigen TheaterbesucherInnen lautstarke Jubelschreie entgegenwehten. Schließlich wurde weiter zum Parlament gegangen und für ca. 15 Minuten der Ring blockiert. Danach löste sich die Demo auf.
 
 

Freitag, 18. Februar
 
 

An die 10.000 SchülerInnen beteiligten sich allein in Wien am SchülerInnenstreik gegen die Rechts-Rechtsextrem-Regierung und demonstrierten am Vormittag - bis ca 13 Uhr - in der Innenstadt. Seitens der Schulbehörden war angedroht worden, dass Streik und Demonstration nicht als Entschuldigungsgrund anerkannt würden. An einigen Schulen waren die Tore versperrt worden, um streikende SchülerInnen am Verlassen der Schulen zu hindern. Da damit gegen eine Reihe von Gesetzen und Vorschriften verstoßen worden sein dürfte, wird dies wohl auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Einige der derart eingesperrten SchülerInnen wussten sich auch kurzfristiger zu helfen und sprangen kurzerhand aus den Fenstern.
Am Abend gab es zuerst HipHop gegen Schwarzblau am Ballhausplatz, und dann die tägliche Demonstration, die mit rund 300 TeilnehmerInnen eine verhältnismäßig nur kleine Runde machte - vom Ballhausplatz über Währingerstraße, Gürtel und Florianigasse zurück zum Ballhausplatz. Um das Parlament war wegen einer Sitzung von der Polizei wieder eine Bannmeile gezogen worden.

siehe auch Artikel:
Französische AntifaschistInnen, die nach Wien wollten, in Paris von der Polizei angehalten und verprügelt! (Information der Rosa Antifa Wien)
 
 

Samstag, 19. Februar
 
 

Zwischen 150.000 (Polizeischätzung) und 300.000 Menschen (Angabe der VeranstalterInnen) beteiligten sich an einer von der "Demokratischen Initiative" organisierten Großdemonstration unter dem Titel "Widerstand gegen Schwarzblau, gegen Rassismus und Sozialabbau". Von mehreren Treffpunkten aus wurde zum an den Balhausplatz angrenzenden Heldenplatz gezogen.
Bereits am Vormittag führte die Polizei Personenkontrollen und Perlustrationen bei allen Menschen durch, die das selbstverwaltete linke "Ernst-Kirchweger-Haus" (EKH) betreten oder verlassen wollten. Bei weiteren Personenkontrollen wurden Helme, Spraydosen, Fahnenstangen, Filzstifte und ähnlich gefährliche Geräte beschlagnahmt.
Mit gewalttätigeren Provokationen ließ die Polizei auch nicht lange auf sich warten. Nachdem bereits in den letzten Tagen eifrig via Medien ein Bedrohungsszenario durch "gewaltbereite Chaoten aus dem Ausland" konstruiert wurde, versuchte eine Polizeieinheit, als sich nach 15 Uhr der Demozug beim Westbahnhof in Bewegung setzte, die Demonstration zu spalten. Sie stellte sich im revolutionär/bunten Block einer Gruppe von AntifaschistInnen aus Berlin in den Weg und versuchte, sie abzudrängen. Als die AntifaschistInnen unbeirrt weitergehen wollten, prügelten die Polizisten auf sie ein. Mehrere Personen wurden dabei verletzt. Dem Eingreifen anderer DemonstrantInnen ist zu verdanken, dass keineR festgenommen wurde, und letztlich alle weitergehen konnten. Kurzfristig waren dabei die beteiligten Polizisten von DemonstrantInnen quasi eingekesselt worden. Der für den Einsatz verantwortliche Generalinspektor der Wiener Sicherheitswache, Schnabl, erklärte sein Vorgehen in der ORF-Nachrichtensendung ZIB um 17 Uhr damit, dass sich "Autonome mit normalen Demonstranten" mischen wollten (zitiert nach einer Protest-Aussendung der Grün-Alternativen.Jugend) und gab damit unfreiwillig zu, dass kein anderer Grund für den Einsatz vorgelegen war, als dass von Politik- oder Behördenseite bestimmt werden sollte, wer demonstrieren durfte und wer nicht.
Der revolutionär/bunte Block wurde bis zur Ringstraße von einem Polizeispallier begleitet. Es kam aber nur mehr zu wenigen Provokationen von Seiten der Exekutive.

Als nach ca. 22 Uhr bekannt wurde, dass sich Jörg Haider in einer nahegelegenen Pizzeria in der Florianigasse aufhielt, zogen rund 500 Menschen zu dem Lokal. Unter Polizeischutz konnte Haider das Lokal jedoch noch rechtzeitig verlassen. Die DemonstrantInnen wurden mit mäßiger Gewaltanwendung auseinander getrieben und zogen daraufhin einzeln und in Kleingruppen ab.
Ungefähr zur gleichen Zeit gingen noch unbestätigten Meldungen zufolge ein paar Scheiben zu Bruch, nachdem sich einige DemonstrantInnen bei der ÖVP-Zentrale getroffen hatten.
Wenig später setzte jedenfalls eine polizeiliche Jagd gegen alles, was irgendwie nach DemonstrantIn aussah, ein. In einer Seitengasse der Florianigasse wurden rund 15 Jugendliche ungefähr eine Stunde lang eingekesselt und mehrfach perlustriert. Während dieser Zeit mussten sie mit erhobenen Händen und dem Gesicht zur Wand an Hausmauern gelehnt aushalten. Mindestens zwei Leute wurden festgenommen. Der Großteil durfte den Kessel schließlich verlassen.
Gleichzeitig wurden aus der Gegend rund um die ÖVP-Zentrale Polizeiprügel gegen mögliche DemonstrantInnen und Festnahmen bekannt.
Der nächste Polizeiangriff fand vor dem Burgtheater statt. Als sich eine Gruppe von zehn Personen, die an der  täglichen Diskussion teilnehmen wollte, dem Theater näherte, sprangen aus einem davor stehenden Polizeibus mehrere Beamte, griffen wahllos zwei Personen aus der Gruppe, und schleuderten sie zu Boden oder an die Wand. Den anderen aus der Gruppe gelang es, ins Burgtheater zu flüchten, und die BesucherInnen des Theaters von den Vorfällen zu informieren. Eine Reihe von BesucherInnen strömte daraufhin auf die Straße. Als sich dort auch noch einige anwesende Prominente und der Burgtheaterdirektor Bachler einfanden, zogen sich die Polizeikräfte zurück.
Ungefähr zur gleichen Zeit wie der Vorfall vor dem Burgtheater, war eine weitere Gruppe von als DemonstrantInnen verdächtigter Personen im nahen Rathauspark Ziel nicht gerade gewaltfrei durchgeführter polizeilicher Perlustrationen. Einem Demonstranten wurden bei der Gelegenheit die Schnürriemen durchgeschnitten.

Um ca. 1 Uhr früh lagen der Rechtshilfe gesicherte Informationen über mindestens drei Festnahmen vor. Es können aber auch erheblich mehr gewesen sein. Über die Zahl an Verletzten gibt es keine genaueren Informationen.

Offener Brief

aus TATblatt Nr. +134:
Gedächtnisprotokolle über und Stellungnahmen zu Polizeiangriffen am 19. Februar sowie Info der Rechtshilfe
 
 

Sonntag, 20. Februar
 
 

Nur etwa 100 Menschen beteiligten sich an der abendlichen Demonstration, die diesmal erst zur antifaschistischen Gedenkstätte am Morzinplatz, dem einstigen Standort des Gestapo-Hauptquartiers, und dann zum Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus am Albertinaplatz führte. Dabei wurde auch an der FPÖ-Zentrale in der Kärntner Straße vorbeigezogen. Die Kärntner Straße war diesmal - zum ersten Mal - nicht mit Tretgittern abgeriegelt worden. Lediglich vor dem Eingangstor standen einige PolizistInnen, allerdings ohne Helme und Schilde. Abschließend ging es über die Ringstraße zurück zum Ballhausplatz. Kurz vor 21 Uhr löste sich die Demo auf.
Die Polizei verhielt sich im Gegensatz zum Samstag durchwegs friedlich.
 
 

Montag, 21. Februar
 
 

Nachdem sich immer mehr durchzusetzen scheint, dass nicht mehr täglich, sondern nur mehr wöchentlich (donnerstags) demonstriert werden solle, und weil für 19 Uhr auch eine Diskussion über weiterführende Strategien des Widerstands angesetzt war, kamen nur sehr wenige Menschen zur abendlichen Demonstration. Etwa 30 Leute wollten an der Zu-Fuß-Demo, rund 20 an der Fahrrad-Demo teilnehmen. Letztendlich wurde gemeinsam ca. eine Stunde durch die Innenstadt und dann zur Strategien-Diskussion im "Depot" gezogen. Die Polizei verhielt sich friedlich, die Kärntner Straße war allerdings auf Höhe der FPÖ-Parteizentrale wieder mit Tretgittern abgesperrt worden.
 
 

Dienstag, 22. Februar
 
 

Rund 30 Leute, überwiegend alternative/grüne, sozialdemokratische und kommunistische GewerkschafterInnen, legten heute anlässlich des 11. Todestages des früheren Gewerkschafters und Sozialministers Dallinger vor dem nun freiheitlichen Sozialministerium einen Kranz nieder. Dallinger galt als innovativer linker Sozialpolitiker. Was etwas in Vergessenheit geraten scheint, ist zum Beispiel, dass er als Gewerkschafter auch mehrmals aus arbeitsmarktpolitischen Gründen für so genannten Gastarbeiterabbau eingetreten war.
Am Abend demonstrierten 28 Leute vom Ballhausplatz über Mariahilfer Straße, Gürtel und Gumpendorfer Straße zurück zum Ballhausplatz.
 
 

Mittwoch, 23. Februar
 
 

Etwa 20 Menschen "demonstrierten" am Abend - nach Absprache mit der Polizei am Gehsteig - vom Ballhausplatz zum Karlsplatz. Anschließend fuhren sie mit der U-Bahn zum Demovideo- und Diskussionsabend ins EKH.
 
 

Donnerstag, 24. Februar
 
 

Weit mehr als 10.000 Menschen gingen ab 19 Uhr wieder lautstark gegen die Rechts-Rechtsextrem-Koalition auf die Straße. Sogar laut über Fernsehen kolportierter Polizeiangaben sollen es 12.000 DemonstrantInnen gewesen sein. Die Route führte vom Ballhausplatz u.a. über Ringstraße, Rennweg, Fasangasse, Gürtel, Laxenburger Straße, Gudrunstraße, Reinprechtsdorfer Straße, Margaretenstraße, Pilgramgasse, Rechte Wienzeile, so gen. 2er-Linie, Ringstraße zum Parlament, führte also vor allem quer durch die Bezirke 3, 10 - eine FPÖ-Hochburg - und 5. Wohl nicht zuletzt aufgrund des Dauerregens waren am Schluss nur mehr rund die Hälfte der mehr als drei Stunden zuvor losmarschierten Leute dabei. Die Polizei blieb friedlich.
 
 

Freitag, 25. Februar
 
 

Die antirassistische Fahrraddemo "Zweirad gegen Doppelmoral" startete um 16 Uhr mit rund 40 TeilnehmerInnen beim alten AKH. Auf ihrem Weg in und durch die Innenstadt wurde die Polizei wieder einigermaßen auf Trab gehalten. Nach ungefähr einer Stunde ging die Demonstration allerdings im einsetzenden starken Regen bzw. einem Beisl unter. Eine kleine Gruppe von RadlerInnen, welche sich erst beim zweiten angekündigten Treffpunkt um 18 Uhr am Schwarzenbergplatz anschließen wollten, wartete vergeblich.
Zirka hundert Leute beteiligten sich an einer Demonstration zum Themenbündel "Gegen jede Regierung der privilegierten Klassen!; Raus aus der EU!; Gegen jeden Militärpakt - Nein zu NATO und WEU!; Schluss mit dem Pensionsraub!; Kein Selbstbehalt - Gesundheit für alle!; Keine Zwangsarbeit für Arbeitslose!; Keine Abschaffung der Kollektivverträge!" vom Meiselmarkt im 15. Bezirk zum Ballhausplatz.
Vom Ballhausplatz selbst ging heute keine Demo los. Einige derer, die um 19 Uhr vorbeikamen, gingen oder fuhren unorganisiert der Demo vom Meiselmarkt entgegen.
Die Polizei verhielt sich bei beiden Demonstrationen friedlich, bei der Fahrraddemo vielleicht auch etwas genervt.
 
 

Samstag, 26. Februar
 
 

In einem riesigen "Volkstanz" (Definition der VeranstalterInnen) unter dem Motto "Don't Stop to Resist, Stopp FPÖVP" zogen zwischen 2.000 und 4.000 Leute auf Ring und Kai rund um die Innenstadt. Von einem DJ-LKW kamen Techno-Klänge, in einiger Entfernung vor und hinter dem LKW fanden aber auch Demo-TraditionalistInnen genug Raum für klassischere Manifestationsformen. Leise war es dank Trommeln, Pfeifferln und Trompeten aber nirgends. Die Innenstadtumrundung dauerte ca. von 15 bis 18 Uhr. Davor und danach gab's Party auf Helden- bzw. Ballhausplatz.
 
 

Sonntag, 27. Februar
 
 

Nach fast vier Wochen gab es erstmals keine Demonstration gegen die Rechts-Rechtsextrem-Regierung in Wien (zumindest ist uns keine bekannt - falls eineR anderes weiß, bitte Mail an uns schicken!).
Dafür dass dennoch nicht von einer Rückkehr zur Normalität die Rede sein kann, sorgt unter anderem das Zelt der "Botschaft besorgter BürgerInnen" am Ballhausplatz schräg vis-a-vis des Bundeskanzleramts, das weiterhin rund um die Uhr von AktivistInnen betreut wird. Damit dies weiter so bleiben kann, werden aber noch dringend zusätzliche "BotschafterInnen" gesucht. Zudem lädt nicht zuletzt das schöne Wetter dazu ein, den Plan, rund um die "Botschaft" ein Zeltdorf zu errichten, neu zu beleben. Soweit es das Wetter zulässt, werden vor dem Zelt, täglich um 17 Uhr, Lesungen abgehalten.
Auf Aussagen von PolizistInnen beruhenden Befürchtungen zufolge, könnte die Absicht bestehen, die "Botschaft" am - oder nach dem - 1. März behördlich zu räumen. Bis jetzt verhält sich die Polizei jedoch freundlich.
 
 

Montag, 28. Februar
 
 

Ruhe ... Stimmt nicht: NACHTRAG: Rund 40 Personen, vorwiegend aus dem LIF-Spektrum, demonstrierten während einer im Hotel Wimberger stattgefundenen FPÖ-Parteivorstandssitzung rund ums  Hotel gegen den (damaligen) Justizminsiter Krüger und feierten den Abtritt Haiders. [Fotos auf www.jugendforum.at/antischwarzblau/demos.html]
 
 

Dienstag, 29. Februar
 
 

Ruhe. Immer noch. Die optischen Signale des Widerstands sind aber unübersehbar. Seit der Nacht auf Dienstag werden bei Dunkelheit antirassistische Text-Dias riesengroß auf die Fassaden von Bundeskanzleramt und Präsidentschaftskanzlei projiziert. [Fotos]

PS: Ab Mittwoch wäre es wegen Befürchtungen einer polizeilichen Räumung des Zelts der "Botschaft besorgter BürgerInnen" gut, wenn immer möglichst viele Menschen am Ballhausplatz anwesend wären. Vielleicht gelingt es der einen oder dem anderen auch, die "BotschafterInnen" davon zu überzeugen, dass die EU-Fahne, die mittlerweile über dem Zelt weht, nicht gerade Ausdruck fundierten Antirassismusses sein kann, und dieses Symbol von - unter anderem - Festungspolitik und menschenverachtender Flüchtlingsabwehr nicht gerade zur Solidarisierung einlädt.
 
 
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